Die letzten 120 Tage der Essigfabrik

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Im Jahre 1889 begann Robert Burkhard in Wasserburg am Inn hochwertigen Essig für den Einzelhandel zu fertigen. Im Laufe der Zeit wurde das Unternehmen immer größer und es entstand die Essigfabrik am Holzhofweg. Über die Jahre wuchs der Familienbetrieb immer weiter, bis er 2017 verlagert wurde. Seitdem stehen die alten Gebäude leer und sollen 2022 einem Wohnbauprojekt weichen.

Die alten Holzfässer in denen der Essig angesetzt wurde stehen noch und verströmen einen markanten Geruch über das Gelände. Wer die alte Essigfabrik jetzt besucht dem fallen natürlich sofort die bunten Malereien, Bilder und Graffitis auf die überall an den Wänden zu finden sind. Dabei handelt es sich aber nicht um irgendwelche wild gesprühten Graffitis, schon an der Qualität und Ausdrucksstärke der Bilder fällt auf, dass hier auch echte Künstler am Werk gewesen sein müssen.

Begonnen hat das alles im Sommer 2020 nachdem die Stadt Wasserburg das Gelände dem örtlichen Jugendzentrum für eine Veranstaltung im Rahmen eines Ferienprogramms zur Verfügung gestellt hat: unter Aufsicht Außenwände besprayen.

Im Herbst 2020 begann dann der ortsansässige Kunstverein AK68 ein Kunstprojekt, das erst im Oktober 2021 beendet sein wird. Die Fabrik dient nun der Kunst, innen wie außen, auch überregional bekannte Künstler wirken dort und bemalen Wandflächen mit unterschiedlichen Techniken.

Eines der alten Holzfässer

Auch in der Fabrik ist viel Platz für Kunst

Man will die Werke nicht einfach dem Verfall überlassen, sowas muss gesehen werden. Für den diesen Herbst ist deshalb eine Ausstellung in der Kunstgalerie im Ganserhaus geplant. Aber Fotos können den Charakter dieses Ortes nicht vermitteln. Den Geruch der alten Essigfässer, vermischt mit dem der Farbe muss man riechen können, und die Ausmaße der Bilder kann man nur hier erleben.

Katrin Meindl bei der „Arbeit“

Also werden die letzten 120 Tage der Essigfabrik vor Ort gefeiert. Die Gebäude sind farbig wie nie zuvor. AK68, die Bar Helmut und das Theater Wasserburg sorgen für einen letzten Gärungsprozess auf dem Areal. Bis Oktober gibt es an mehreren Wochenenden Kunst, einen Biergarten der anderen Art, ein Sommerfest sowie Theater und Führungen an der alten Essigfabrik. Es wird sich lohnen da öfter mal vorbeizuschauen, nichts bleibt wie es ist, Kunst ist in Bewegung.

Bei einem Besuch der Essigfabrik haben wir Katrin Meindl kennengelernt, sie ist die 2. Vorsitzende des AK68 und wesentlich an der Durchführung des Projektes beteiligt. Sie erklärt, wenn sie malt zählt nicht nur das fertige Ergebnis, sondern vor allem auch der Weg dorthin, eben das Arbeiten mit den Farben, das ist Abschalten vom Alltag. Im Moment ist sie gerade dabei mit einer gelben Spraydose ein paar Schriften fertigzustellen die auch als Kulisse für das Theaterstück „Die Nashörner“ von Eugène Ionesco dienen, welches hier vom Theater Wasserburg in Koproduktion mit den Stelzern aus Landsberg am Lech aufgeführt werden soll. Nun ist uns auch klar warum man hier viele kleine und große Nashörner an den Wänden findet.

An einer hohen Wand mit einer Leiter und unzähligen Spraydosen am Boden finden wir dann Daniel Westermeier, alias „Mr. Woodland“, er ist einer der großen in der Szene. Vor ihm an der Wand sein Werk „IF I COULD“, das kurz vor der Fertigstellung steht. Manche kennen sicher auch sein Bild „DARE TO BELIEVE“ in der Gillitzerstr. in Rosenheim, das er im Rahmen des Transit Art Festivals 2020 erstellt hat. Er erzählt uns, dass er auch beim Transit Art Festival 2021 in Rosenheim wieder dabei ist, wir sind gespannt was da von ihm kommt.